Nutzt Schachspiel für das Leben?

Autor: Damien Peteani
Schach ist nützlich. Das steht außer Frage. Aber in welchen Bereichen hilft es mir konkret, was leistet es und an welchen Stellen ist eine Transformation für das eigene Leben sogar schädlich?
Ich möchte weder auf den Charakter des Duells eingehen noch auf die Startbedingungen, die annährend gleich und dem Leben widersprüchlich begegnen. Leider hat nicht jeder das gleiche "Grundmaterial" zur Verfügung.
Schach beginnt bekanntlich mit der Eröffnung. Man spielt am Besten etwas was man schon oft auf dem Brett hatte, was einem liegt. Man muss die Balance finden zwischen "dirty tricks to win fast" (wie viele reichlich angeklickten Youtubevideos titeln) und "ich spiel lieber b3 bevor ich noch meinen Läufer einstelle". Wenn ich mich hier nicht eintackten kann, weil ich schnell zum Erfolg will, mit fragwürdigen Mitteln (1. b4 (nicht umsonst "Orang-Utan Eröffnung" genannt), ,mit einer Opfervariante, die zwar oft wiederlegt, aber der Gegner vielleicht nicht kennt. Dann wird es schwierig.
Auch das Leben braucht einen Ankerpunkt, eine Balance zwischen den Extremen. Party na klar, aber dann auch mal wieder das Buch. Oder wie ein renomierter Psychiater provokativ antwortete als er nach einer Therapie bei Depressionen gefragt wurde: "Nicht immer das Smartphone und täglich 10 Minuten einfach nur aus dem Fenster schauen". Heute ist es etwas Besonderes nur eine Sache zu machen. Ich bin immer sehr entspannt nach einer Partie Schach. Eine Person, eine Sache und dafür die volle Aufmerksamkeit. Ich liebe solche Menschen, die sich nicht bei einem treffen mit mir von einer Whats-App Nachricht ablenken lassen.
Wie also positioniere ich mich im Leben? Mit wem lebe ich zusammen? Kinder ja? Kinder nein? Wenn ja,wie viele? Welcher Job? Wie sehr darf dieser mich einnehmen? Lebe ich auf dem Land oder in der Stadt?
So auch in der Eröffnung. Jede Eröffnung hat Ihre Vor-und Nachteile. Ich kann nicht das Beste aus allem haben. Dann bricht es auf dem Schachbrett und im Leben zusammen. Irgenwann kenne ich Sie: Meine Frau, meine Arbeit, meine Kinder, meine Eröffnung. Was darf ich tun, was soll ich lassen. Was schadet was nützt. Wenn ich in der Französischen Eröffnung möchte, dass der weißfeldrige Läufer von Anfang an die beste Figur auf dem Platz ist, bekomme ich große Probleme. Ja, im Moment mein lieber Läufer auf D7 mag ich dich nicht, aber ich weiß wie ich dir helfen kann.
Die Figuren werden auf günstige Felder gebracht. Ach, lieber Leser es wäre schön wenn wir unsere Mitmenschen zur vollen Entfaltung Ihrer Möglichkeiten bringen. Ein Springer wird kein Läufer, aber ich kann Ihn zum besseren Springer machen. Und bei manchen Menschen ist das potential, wie bei unserem kleinen Bauern, scheinbar unerschöpflich.
Das Herzstück des Ganzen ist aber der König. Er muss in Sicherheit. Deshalb Rochade. Der König geschätzter Leser ist für mich die Gesundheit. Die Summe dessen was mir guttut. Freunde, eine ausgewogene Ernährung, genügend Freizeit. Bei allem bestreben Matt zu setzen (reich zu werden, jemand zu sein), ist immer wieder auf meine Königssicherheit zu achten. Alle Fähigkeiten meiner Figuren leiden, wenn der König in einen Angriff gerät.
Jetzt kommt die Grenze, das was der Mensch nicht fassen kann: Das Schicksal, Gottes Plan, wie immer man es sich erklären mag. Das was plötzlich kommt und alles verändert. Das Unberechenbare. Das was es im Schach nicht gibt. Der Würfel. Das ist ein so entscheidender Unterschied, dass es mich fast an aller Nützlichkeit des Schaches für das Leben zweifeln lässt. Aber das tut es trotzdem nicht. Warum? Weil das Einzige was ich im Leben selbst machen kann ist es Voraussetzungen zu schaffen. Mental stabil zu bleiben. Wenn das Schicksal dann kommt und mich (scheinbar) bestraft, kommt der schwerste Teil. Auf diesen möchte ich im nächsten Teil eingehen: Mit der Enttäuschung leben, den Plan ändern, neuen Mut schöpfen. Etwas opfern.